Exhibition view GODOG CCA Tiflis Weltkunstzimmer House of Justice Donna Haraway, Fuksas National Bank of Georgia, the Minister of Energy, and the Civil and National Registry inter special society collaborative culture ramon graefenstein tanja kodlin
Exhibition View GODOG Center of Contemporary Art Tbilisi 2021 with Tanja Kodlin
Doghut Tiflis House of Justice Donna Haraway  Massimiliano and Doriana Fuksas National Bank of Georgia, the Minister of Energy, and the Civil and National Registry inter special society collaborative culture ramon graefenstein tanja kodlin
"House of Justice" recycled Wood, ceramics and glass H90xD130xW60cm
Godog Dogod Walldrawing Installation sculpture ramon graefenstein tanja kodlin CCA  Tbilisi weltkunstzimmer residency interspecial friendship
GODOG Walldrawing pencil in corner CCA Tbilisi 2021
dog human together equality donna haraway, asleep GODOG THE REST IS THE BEST
Video Still "REST" performativ interaction with tbilisi dogs
Video Still "REST" performativ interaction with tbilisi dogs dog human together equality donna haraway, asleep GODOG
Video Still "REST" performativ interaction with tbilisi dogs
Video Still "REST" performativ interaction with tbilisi dogs dog human together equality donna haraway, asleep GODOG
Video Still "REST" performativ interaction with tbilisi dogs

CCA Tblisi  mit TANJA KODLIN

 

GODOG

Eine Ausstellung von Tanja Kodlin und Ramon Graefenstein in Zusammenarbeit mit den Straßenhunden von Tbilisi, sowie mit Ninutsa Shatberashvili und Mariam Kuprashvili.

Die freilaufenden Hunde in den Straßen von Tbilisi, friedliche Geschöpfe, die, unbeeindruckt von der Hektik der Stadt, dösend an allen Ecken anzutreffen sind, bilden den Ausgangspunkt des Projekts, das sich mit der Beziehung von Mensch und Tier, sowie mit Stadtnutzung befasst. Zugleich ist das Projekt Denkanstoß einer Utopie des Zusammenlebens, in der verschiedene Spezies sich zu gleichgestellten Kompagnons verbünden. Im Zuge dieser Auseinandersetzung entstanden ein architektonisches Objekt, eine Videoarbeit sowie der titelgebende Schriftzug GODOG welche im Rahmen der Gemeinschaftsausstellung präsentiert wurden. Zur Eröffnung wurden thematisch abgestimmte kulinarische Schmankerl serviert: Hotdogs, zubereitet von Ninutsa Shatberashvili, dazu gereicht wurden Salty Dogs (Cocktails), gemixt von Mariam Kuprashvili. 

Elemente der Ausstellung ziehen inhaltliche Linien zu Donna Haraways „Manifest der Gefährten“, welches das Miteinander und Nebeneinander von Mensch und Hund untersucht. Der Straßenhund verweilt entkoppelt von seinem Vorfahren, dem Wolf, im Gefüge menschlicher Strukturen, gleichzeitig ist dem Straßenhund seine Aufgabe als Begleiter des Menschen entzogen. Tatsächlich bleibt er in gewisser Art und Weise abhängig, unfähig sich selbst ausreichend mit Nahrung zu versorgen, angewiesen auf Fürsorglichkeit. Die Freiheit ist also nur scheinbar sein Metier, und doch ist er niemandes Eigentum. So streunt er durch die Straßen, auf der Suche nach Essenresten und kühlen Rastplätzen, als kaum wahrgenommener Anteilnehmer der Gesellschaft, als Resultat der Überlappung von Natur und Kultur. 

Das in der Ausstellung präsentierte architektonische Gebilde entpuppt sich als Hundehütte. Ein Foto an der Wand dahinter offenbart seine offenkundige Referenz: das House of Justice in Tbilisi, eine Servicestelle für Bürger*innenanliegen. Die markanten rundlich-ovalen, monochrom weiß gehaltenen Elemente des Daches, genauso wie die reflektierende Fassade, welche die Gestalten der Besucher*innen spiegelt, prägen als markante architektonische Merkmale auch das den Hunden zur Verfügung gestellte Bauwerk. Das Gebäude ist in seiner Funktion Kontenpunkt für ein geregeltes Zusammenleben im urbanen Gefüge. Architektonisch hebt es sich durch seine außergewöhnliche Erscheinung vom umgebenden Stadtbild ab. Tatsächlich wurde es von einem italienischen Architekturbüro entworfen. Bereits kurze Zeit nach seiner Eröffnung traten erste Baumängel zum Vorschein. Kodlin und Graefenstein schaffen mit ihrem Objekt eine symbolische Servicestelle für die streunenden Hunde, die zwar geduldet werden, jedoch allein und heimatlos kaum ausreichend für sich selbst sorgen können. Gleichzeitig verbildlicht es als humoristische Metapher die Utopie eines gleichberechtigten Zusammenlebens aller die Stadt bewohnenden und nutzenden Spezies.

Die Videoarbeit dokumentiert den Akt einer körperlichen, aber auch wertideologischen Annäherung an die Spezies der Hunde: Die Künstler*innen platzieren ihre Körper zwischen Passant*innen in unmittelbarer Nähe der schlafenden Geschöpfe. Kodlin und Graefenstein spiegeln das Verhalten der Tiere und legen sich auf den Gehweg, wodurch sie zu Verbündeten, zu Gefährten werden. Die spiegelnde Körperhaltung wirft die Frage nach gleichzeitiger, gemeinsamer Stadtnutzung verschiedener Lebewesen, aber auch die Frage der Wertschätzung verschiedenartiger Anteilnehmer*innen im öffentlichen Raum auf. Mithilfe künstlerischer Ausdrucksformen versucht das Projekt eine Utopie der Gleichwertigkeit eingeschriebener Differenzen ins Licht zu rücken. Welche Strukturen und Formate eines gleichberechtigten Miteinanders ohne Ausschluss oder Schlechterstellung sind vorstellbar? Ist möglicherweise der in dieser Arbeit gewählte Zustand des Traums die solidarischste Form der Koexistenz? 

Ein menschlicher liegender Körper im urbanen öffentlichen Raum funktioniert nicht bloß als ästhetisches Element, sondern evoziert auch eine gewisse Verletzlichkeit und ruft dahingehend verschiedene Reaktionen hervor. So sieht man in der Videoarbeit Menschen, die verwundert stehen bleiben, den liegenden, fast bewegungslosen Körper anstarren und verdutzt auf Reaktionen anderer Passant*innen warten, bevor sie schließlich ihren Weg fortsetzen und in der Masse verschwinden. Dahingehend scheinen die Körper der Hunde, teils vor dem Eingang zur U-Bahn, teils mitten am Gehweg liegend, niemanden zu irritieren. 

Der in großen, silbernen Buchstaben gehaltene, titelgebende Schriftzug GODOG thematisiert die Frage nach der Gleichstellung unterschiedlicher Spezies auf sprachlicher Ebene. Zusammengesetzt aus den Anagrammen GOD („Gott“) und DOG („Hund“), welche durch die Platzierung um die Ecke des Ausstellungsraumes als Einzelbegriffe deutlich hervorgehoben werden, regt das Wortspiel zum Nachdenken über die dogmatische, biblische Hierarchie von Gott – Mensch – Tier an. Thematisch wird hier die Forderung eines gleichwertigen Zusammenlebens und voneinander Lernens erneut aufgegriffen. 

Die Ausstellung ist einer Spezies gewidmet, die durch das Ineinandergreifen von Natur und Kultur zu einer paradoxen Lebenssituation verdammt ist, gleichzeitig in Freiheit und Abhängigkeit lebend. Kodlins und Graefensteins Arbeiten können als experimenteller Versuch einer Kontaktaufnahme mit dieser Spezies des streunenden Hundes, der das Stadtbild von Tbilisi als unsichtbarer Geselle prägt, verstanden werden. Gleichzeitig versucht das Projekt symbolisch hinsichtlich eines gleichwertigen Zusammenlebens verschiedenartiger Spezies zu sensibilisieren. Wie könnte sich Zusammenleben zukünftig gestalten, wenn Differenzen nicht länger hierarchisch relativiert, sondern als gleichwertig anerkannt und ernst genommen werden? Inhaltlich verweist das Projekt damit wiederholt auf Donna Haraway und ihr Konzept der signifikanten Andersartigkeit („significant otherness“) und richtet dahingehend den Blick auf eine zukünftige Utopie, die das Zusammenleben verschiedener Spezies auf einer gleichberechtigten Ebene neu zu denken wagt. 

 

Text: Iris Kasper